Isabella Hammad

Enter Ghost

Sonia besucht nach vielen Jahren ihre Schwester Haneen in Haifa. Viele Jahre entbehrungsreicher, aber sehr erfolgreicher Theaterauftritte, eine gescheiterte Ehe, eine erst gerade zerbrochene Beziehung lassen sie Ruhe suchen und auch die Nähe zu ihrer Schwester. Diese lebt seit vielen Jahren bereits in Haifa, wo sie an der Universität Soziologie unterrichtet. Ihr Vater ist Palästinenser, ihre Mutter Niederländerin, aufgewachsen sind sie in London. Während die jährlichen Verwandtenbesuche in Israel bei Haneen einen engen Bezug zum Land und zu dessen politischen Herausforderungen wachsen lässt, fühlt sich Sonia nicht wirklich mit dem Land verbunden, sie fühlt sich fremd, ungewohnt. Als Mariam, eine charismatische Freundin von Haneen, sie bittet, in ihrer Hamlet-Inszenierung, die sie im Westjordanland aufführen will, die Rolle der Gertrude zu übernehmen, beginnt sie langsam ihre Geschichte zu überdenken.

Die Beschreibungen der sich langsam an die palästinensische Realität annähernden Sonia, geben den Lesenden ein farbiges und differenziertes Bild des Alltags in Israel oder im Westjordanland. Die täglichen Checkpoints, die bürokratischen Hürden an allen Orten, das mühselige Vorgehen bei einer Theaterinszenierung. Sie zeigt auch in feinen Strichen die Spaltungen unter den Palästinenser:innen – zwischen den Menschen, die im Westjordanland leben, den '48ern, die nach der Nakba in Israel geblieben sind, zwischen denjenigen, die einen Passierschein brauchen, wenn sie von einer Zone in die nächste wollen, und denjenigen, die einfach passieren können. Der Roman spielt vor dem Hintergrund der Proteste der Palästinenser:innen gegen das Aufstellen von Metalldetektoren in der Al-Aksa-Moschee 2017.

Sehr viel Raum nimmt die Inszenierung des Stückes ein. Und es sind packende Passagen, in denen Hammad das Ineinandergehen des Schauspiels und der inneren Realität beschreibt. Überhaupt – die Überlegungen zur Rolle der Kunst in einem politisch aufgeladenen Kontext sind sehr spannend und anregend. Sehr stimmig schliesst Hammad den Kreis zwischen der Hamlet-Inszenierung, der Theatercrew und der politischen Situation im Land! cn

Klappentext:

Nach vielen Jahren in London und einer schmerzhaft gescheiterten Beziehung reist Schauspielerin Sonia zu ihrer älteren Schwester nach Haifa. Dort lernt sie die charismatische Mariam kennen, die im Westjordanland eine palästinensische Theaterproduktion des Hamlet auf die Beine zu stellen versucht.

Nach anfänglichem Zögern willigt Sonia ein, die Rolle der Gertrude zu übernehmen. Doch je weiter die Proben voranschreiten, desto mehr wird Sonja von den Geistern eines Konflikts heimgesucht, der ihre entwurzelte und in alle Richtungen verstreute Familie genauso wie die gesamte Region nicht zur Ruhe kommen lässt. Als in Jerusalem ein Attentat auf israelisches Wachpersonal verübt wird, droht die Lage auch für die Theatergruppe zu eskalieren. Und doch entdeckt Sonia etwas sehr Unvorhergesehenes: die Möglichkeit, dass es gerade dieses leidgeprüfte Palästina sein könnte, das ihrem Leben einen Halt gibt.

Über die Autorin / über den Autor:

Isabella Hammad wuchs in London auf, lebt in London und New York. Sie gehört für die Zeitschrift Granta zu den Best Young Novelists under 40. Ihr Debütroman Der Fremde aus Paris war für die New York Times einer der wichtigsten Romane 2019, wurde in 16 Länder verkauft und mit dem Betty Trask Award und dem Palestine Book Award ausgezeichnet. Für Enter Ghost bekam sie den Encore Award für den besten zweiten Roman sowie den Aspen Words Literary Prize und war u.a. nominiert für den Ondaatje Prize sowie den Women's Prize 2024.

Henning Ahrens ist Schriftsteller und Übersetzer. Er übertrug u.a. Werke von Jonathan Safran Foer, Colson Whitehead, Meg Wolitzer und Richard Powers ins Deutsche.

Preis: CHF 30.50
Sprache: Deutsch (aus dem Englischen von Henning Ahrens)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2024 (2023)
Verlag: Luchterhand
ISBN: 978-3-630-87742-6
Masse: 477 S.

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